Bei Ebbe im Haushalt muss man kreativ sein
Gräfenhainichen (wg). „Mit vollen Kassen kann jeder was bewegen, bei Ebbe im Haushalt muss man
kreativ sein, um das Gemeinwesen funktionsfähig zu halten“, sagt Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) im Gespräch mit der Redaktion des Wittenberger Sonntag. Der Tornauer ist seit dem 12. Juli 2015 im Amt, „am 13. Juli war die Probezeit bereits vorbei.“ Er komme jeden Tag gern ins Rathaus und blicke trotz aller Herausforderungen optimistisch in die Zukunft.
Es ist vor allem Schillings Verdienst, dass Gräfenhainichens Grundstücksbesitzer 2015 keine Bescheide über rückwirkende Straßenausbaubeiträge erhalten haben. „Das war eine komplizierte Gemengelage, wir haben mehr als 40 Straßen prüfen müssen, das war Fleißarbeit“, so Schilling.
Schuld war das im Dezember 2014 angepasste Kommunalabgabengesetz, das die Kommunen verpflichtete, auch rückwirkend Straßenausbaubeiträge für Maßnahmen in den 1990er Jahren zu erheben. Im Ergebnis der umfangreichen Prüfungen zeigte sich, dass entweder die Festsetzungsverjährung eingetreten war, dass Maßnahmen nicht beitragspflichtig waren oder dass ausbaubeitragspflichtige Maßnahmen bereits abgerechnet wurden.
Gräfenhainichen soll offen und friedlich bleiben
101 Flüchtlinge leben in Gräfenhainichen, überwiegend Familien, die in Wohnungen untergebracht sind. „Die Kinder sind in den Kitas und Grundschulen sehr gut aufgenommen worden“, bestätigt Schilling. Die Anschläge auf das zur Unterbringung von Asylbewerbern vorgesehene Schleifer-Gebäude verurteilt er als feige und hinterhältig. Das Bürgerfest an der Kirche als Antwort auf die Kundgebung vermeintlich „besorgter Bürger“, hinter denen für jedermann erkennbar Nazis stünden, habe gezeigt, dass Gräfenhainichen eine offene und friedliche Stadt sei.
Schwierige Haushaltslage
„Das Haushaltsdefizit 2016 liegt voraussichtlich bei zwei Millionen Euro“, erklärt Schilling. Der Investitionshaushalt umfasse 1,942 Millionen Euro, damit könne unter Nutzung von Fördermitteln die Investitionspauschale von 505.000 Euro vervierfacht werden. Der Haushalt soll im Februar 2016 beraten und beschlossen werden.
Zu den großen Maßnahmen gehören unter anderem die Sanierung der Kita „Bummi“/Hort Möhlau, für die 731.500 Euro angemeldet sind, die Sanierung der Grundschule Johannes Gutenberg in Gräfenhainichen (drei Bauabschnitte, für den ersten sind 499.000 Euro vorgesehen), der Erwerb eines Löschfahrzeugs für die Ortswehr in Jüdenberg (220.000 Euro) sowie die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen am Rathaus Gräfenhainichen, für die 50.000 Euro angemeldet sind.
Kritik am KiFöG
Harte Kritik übt der Bürgermeister am Kinderförderungsgesetz (KiFöG) und am Jugendhilfeausschuss des Kreises, der ohne Not die Qualitätsstandards über das gesetzliche Maß hinaus angehoben habe.
Danach müsse künftig jede Kita eine Kinderschutzfachkraft vorhalten. Gräfenhainichen habe fünf solcher Fachkräfte für elf Einrichtungen, dies sei völlig ausreichend. Für die erforderliche Nachqualifizierung weiterer sechs Kolleginnen müsse ein erheblicher Kosten- und Personalaufwand betrieben werden: „Angesichts der minimalen Fallzahlen ist dieser Aufwand nicht gerechtfertigt, mehr Zeit für Kinder kommt auch nicht heraus.“
Ebenso sei die Einführung eines Kinderbeschwerde-Managements angesichts der umfangreichen Dokumentationspflichten maßlos übertrieben. All das sei ohne Sinn und Verstand im Jugendhilfeausschuss durchgepeitscht worden. „Insbesondere kommunale Kitas auf den Dörfern werden auf diese Weise in Zukunft nicht mehr finanzierbar sein“, warnt Schilling und fragt sich, ob dies politisch gewollt sei.
„Mehr Aufwand, mehr Kosten, aber nichts wird besser, mit diesem KiFöG ist keiner glücklich“, betont Schilling. Dass höhere Beiträge drohen, sei nicht der „Blödheit der Bürgermeister und Stadträte geschuldet“, sondern den Fehlern im KiFöG.
Die Landesregierung wäre gut beraten, die Fehler im System zu beheben, als vor der Landtagswahl populistische Versprechungen zu machen. „Die Zuschüsse vom Land müssen neu kalkuliert und auf ein auskömmliches Maß angehoben werden“, fordert Schilling. Die Gemeinden dürften nicht auf den Kosten für überhöhte Qualitätsstandards und die Ganztagsbetreuung für alle Kinder sitzen bleiben.
Quelle: Wittenberger Sonntag