Tourismus in Gräfenhainichen Radfreundliche Info – Nur die Pedalritter fehlen

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  • Beitrag veröffentlicht:9. Mai 2017
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Gräfenhainichen – Enrico Schilling (CDU) lässt keinen Zweifel: Gräfenhainichen will vom boomenden Radtourismus künftig profitieren und ein größeres Stück als bisher vom Kuchen abbekommen. Und so macht der Bürgermeister einen PR-Termin am Montagvormittag – trotz der üblichen Dienstberatung – zur Chefsache, um auch mal den parteiinternen Kritikern zu zeigen, welchen Stellenwert die Pedalritter in der Heidestadt wirklich haben.

Walter Schwiersch (CDU) hat noch Anfang der Jahres in einem Leserbrief mehr Engagement eingefordert. Der Christdemokrat bescheinigt den Stadtvätern, dass sie „seit Jahren den Europaradweg R 1 vernachlässigen“ und machte sich lustig über einen neuen innerstädtischen Radweg, wo ein Schild die Radfahrer zum Absteigen gezwungen hatte. „Ein Schildbürgerstreich“, kommentiert der Leser.

Elke Witt sorgt am Montag für das Kontrastprogramm und übergibt ein Zertifikat, das die Stadtinformation als „radfreundlich“ kennzeichnet. „Ein freudiges Ereignis“, jubelt Schilling. Die Anerkennung gibt es, weil die Info mit Radfahrkarten ausgerüstet und ja auch eine Servicestelle für Radtouristen ist. Mit einem Reparatur-Set und einer Luftpumpe kann geholfen werden.

Wer aber eine Kette wechseln könne, kann in der Runde nicht geklärt werden. Einen solchen „Notfall“ hat es offenbar bisher nicht gegeben. Und das zeigt trotz schöner Worte das eigentliche Dilemma auf: Es fehlen trotz eines boomenden Marktes die Pedalritter. Wer sich strikt an der R-1-Ausschilderung hält, gelangt eben nicht ins „radfreundliche“ Zentrum.

Der R 1 führt durch insgesamt neun europäische Länder. Gut 3.500 Kilometer Piste sind zwischen Frankreich und Russland mit dem Schriftzug R 1 und grün-weißer Farbe kenntlich gemacht. In Deutschland ist er 1.000 Kilometer lang, führt von der niederländischen bis zur polnischen Grenze und quert eben auch die Gräfenhainichener Region.

Um die Stadt selbst macht er aber einen Bogen. Zwischen Radis und Ferropolis geht es auf dem Uferweg am Gremminer Weg voran. Am nächsten ist der R 1 der Heidestadt noch am Stadtbalkon. „Wir müssen den R 1 in die Stadt holen“, sagt Schilling.

Ziel sei es, die „Radtouristen in die Stadt zu lenken“. Der Verwaltungschef fordert für die Neuauflage der Postkarte zum R 1 auch ein Bild von Gräfenhainichen und die Erwähnung von Tornau auf dem Souvenir. „Wir müssen die Leute zum Verweilen bei uns einladen und zugleich auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam machen“, geht die Forderung dem Verwaltungschef nicht erst seit Montag von den Lippen.

Im April 2016 verwies er noch auf das Reformationsjahr 2017, wollte mit Kirchenlieddichter Paul Gerhardt und mit der Buchdruckkunst punkten.

Die R-1-Idee soll jetzt – mit einiger Verzögerung – umgesetzt werden. Damit steht möglicherweise eine unendliche Geschichte doch noch vor einem Happy End. „Es gibt Themen“, sagt Schilling, „die beschäftigen einen immer wieder.“

Der R 1 sorgt dabei immer mal wieder für Schlagzeilen. Dabei geht es auch um komplizierte Eigentumsverhältnisse. Möglicherweise ist deshalb auch der Streckenabschnitt zwischen Gräfenhainichen und Radis nicht der beste. Den Zustand jedenfalls kritisierte schon vor Jahren Evelin Erdmann (CDU). Die Radiser Ortsbürgermeisterin hält an ihrer einstigen Schelte noch heute fest.

„Der Landkreis hat in den vergangenen Jahren kleinere Reparaturen ausführen lassen“, räumt sie auf MZ-Anfrage ein. Sie bedauert aber auch, dass die Chance zur Komplettsanierung nicht genutzt wurde. Es sei dabei noch nicht einmal am Geld gescheitert.

„95 Prozent Förderung wurden in Aussicht gestellt. Gräfenhainichen und Kemberg waren dafür“, so Erdmann. Der dritte Partner – es geht um den Kreis – brachte das Projekt zum Kippen. „Der Pflegeaufwand ist zu hoch, hieß es zur Begründung“, erinnert sich Erdmann. (mz)

 

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung